Einziehung bei Steuerstraftaten-Pfändung,Arrest,Grundstück

Grundzüge der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung mit besonderem Augenmerk auf die Einziehung bei Steuerstraftaten

Regelungen
§§ 73-73e und 75-76b StGB, materielles Recht der Vermögensabschöpfung
§§ 111b ff. StPO, Vorläufige Sicherstellung
§ 459g StPO, Vollstreckungsrechtliche Regelung
-§§ 111i, 459h ff. StPO, Opferentschädigung

Grundsätzlich handelt es sich bei den Vorschriften zur Vermögensabschöpfung um zwingendes Recht, so dass der  Richter die Einziehung aussprechen muss, wenn die Voraussetzungen vorliegen.
In Einzelfällen, wie bei Geringwertigkeit des Tatertrags nach § 421 StPO, besteht allerdings die Möglichkeit, von der Vermögensabschöpfung abzusehen.
Jedoch kann in einem Rechtsgespräch mit dem Gericht im Rahmen von Verfahrenabspreachen nicht auf die Vermögensabschöpfung verzichtet werden, da die Regelungen darüber zwingendes Recht sind. Dies wird von manchen Kollegen bei der Vorreitung des Rechtsgespräches gerne übersehen.

Der Anspruch ist primär auf die Einziehung des Tatertrags (=das deliktisch „erlangte Etwas“) gerichtet,§ 73 Abs. 1 StGB. Ersatzweise kann die Einziehung des Wertes des Tatertrags angeordnet werden, § 73c StGB.
Ferner ist die erweiterte Vermögensabschöpfung möglich, wenn die Erwerbstat nicht konkret nachweisbar ist.
Die Einziehung ist nach § 73e StGB ausgeschlossen, soweit der Anspruch des Geschädigten auf Rückgewähr des Erlangten bzw. auf Wertersatz bis zum Abschluss des Erkenntnisverfahrens erlischt. Ob auch verjährte und damit nach § 47 AO erloschene Steueransprüche eingezogen werden können, war zunächst umstritten und der BGH hat dies mit dem Wortlaut des  § 73e StGB in
Verbindung mit § 47 AO verneint (BGH, Beschluss vom 24.10.2019 – 1 StR 173/19, NStZ-RR 2020,46).  Der Gesetzgeber hat aber nunmehr den § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB eingeführt, der regelt, das auch solche Ansprüche der Abschöpfung unterliegen.
Unbillige Härten und Entreicherung sind grds erst i.R.d. Vollstreckung zu berücksichtigen, § 459g Abs. 5 StPO.
Die Verjährung der Einziehung richtet sich nach § 76b StGB und beträgt grds. 30 Jahre ab Beendigung der Tat. Wenn die Erwerbstat nicht der Verjährung unterliegt,verjährt auch Einziehung nicht, § 76b Abs. 2 StGB.
Die Anordnung der Einziehung ist im Urteil oder im selbständigen Verfahren, §§ 435 f. StPO, möglich.
Die Sicherung der Einziehung ist durch vorläufige Sicherstellung / Beschlagnahme, §§ 111b ff. StPO, und Vermögensarrest, §§ 111e ff. StPO, möglich.

Das „erlangte Etwas“, § 73 Abs. 1 StGB, und sein Wert, § 73d Abs. 1 StGB
Ein Vermögenswert ist aus der Tat erlangt, wenn er dem Täter oder Teilnehmer unmittelbar aus der Verwirklichung des Tatbestands in irgendeiner Phase desTatablaufs so zugeflossen ist, dass er hierüber die tatsächliche Verfügungsgewalt ausüben kann (vgl. statt vieler BGH, Beschluss vom 21.8.2018 − 2 StR 311/18, NStZ 2019, 20).
Auf zivilrechtliche Besitz- oder Eigentumsverhältnisse kommt es nicht an. Auch die spätere Aufgabe der Verfügungsmacht ist ohne Bedeutung (vgl.BGH, Urteil vom 7.3.2019 − 5 StR 569/18, NStZ 2019, 272). Es gilt grds. das Bruttoprinzip, so dass Aufwendungen im Zusammenhang mit der Erwerbstat außer Betracht bleiben. Um eine strafähnliche Wirkung zu vermeiden, bestimmt § 73d Abs. 1 StGB jedoch, dass Aufwendungen im Zusammenhang mit dem Erwerbsgeschehen abzugsfähig sind. Nach § 73d Abs. 1 Satz 2 StGB darf jedoch nicht abgezogen werden, was für die Tat
aufgewendet oder eingesetzt worden ist, es sei denn, es handelt sich um Leistungen zur Erfüllung einer Verbindlichkeit.
Der Wert kann ggf. im Wege der Schätzung bestimmt werden, § 73d Abs. 2 StGB.
Auch ersparte Aufwendungen in Gestalt nicht gezahlter Steuern können ein „erlangtes Etwas“ sein (vgl. BGH, Urteil vom 18.12.2018 – 1 StR 36/17, NStZ 2019,465; Beschluss vom 4.7.2018 – 1 StR 244/18; Beschluss vom 23.5.2019 – 1 StR 479/18). Der Vorteil muss sich jedoch im Vermögen des Täters widerspiegeln. Die reine Mittäterschaft zieht keine entsprechende Verfügungsgewalt nach sich. Bei einer Steuerhinterziehung, die zu einer Vermögensmehrung bei einer GmbH führt, ist daher grds. die Einziehung nur bei der GmbH,nicht beim Täter möglich.
Anders verhält es sich nur, wenn der Täter die GmbH nur als Mantel benutzt und die Geldflüsse sogleich an ihn weitergeleitet werden (vgl. BGH, Urteil vom 28.11.2019 – 3 StR 294/19, NJW 2020, 1309; Beschluss vom 15.1.2020 − 1 StR 529/19, NStZ2020, 404).
Insofern muss das Urteil stets unmissverständlich feststellen, bei wem der Vermögenszufluss erfolgte (vgl. BGH, Beschluss vom 6.6.2019 – 1 StR 75/19, NStZ-RR 2019, 278).
Bei Tabaksteuerhinterziehung ist zu differenzieren.
Die Tabaksteuer als ersparte Aufwendung kann nicht bei den Mittätern eingezogen werden, die nur gegen Bezahlung die Schmuggelfahrten durchführten. Diese erlangen durch die Fahrten nur den entsprechenden Lohn, nicht den Steuervorteil (vgl. BGH, Beschluss vom 23.5.2019 – 1 StR 479/18; Beschluss vom 22.10.2019 – 1 StR 271/19). Der Täter der Steuerhehlerei, § 374 AO,erlangt durch seine Tat auch nicht die hinterzogene Tabaksteuer, sondern nur die Zigaretten bzw. nach Weiterverkauf den entsprechenden Erlös (vgl. BGH, Beschluss vom 11.2.2020 – 1 StR 622/19; Beschluss vom 5.5.2021 – 1 StR 502/20, NZWiSt 2021, 351).
Der Aussteller von Scheinrechnungen macht sich der Steuerhinterziehung nach § 370 Abs. 1 Nr. 2 AO schuldig, wenn er die Ausstellung der Scheinrechnungenentgegen § 14c Abs. 2 Satz 2 Alt. 2 StGB nicht in seiner Steuererklärung angibt. Er erlangt jedoch nicht den Vermögensvorteil in Höhe der mit diesen Scheinrechnungen geltend gemachten Vorsteuer. Diesen Vorteil erlangen vielmehr nur die Personen, die die Rechnungen zum Vorsteuerabzug einsetzen. Der Rechnungsschreiber erhält in aller Regel nur ein Entgelt für das Schreiben der Rechnungen. Nur dieses Entgelt kann bei ihm eingezogen werden (vgl. BGH, Beschluss vom 5.6.2019 – 1 StR 208/19, NJW 2020, 79; Beschluss vom 14.5.2020 – 1 StR 555/19, NStZ-RR 2020, 348).
Einziehung von Nutzungen und Surrogaten, § 73 Abs. 2 und 3 StGB
Die Einziehung von gezogenen Nutzungen ist zwingend, § 73 Abs. 2 StGB. Die Einziehung von Surrogaten steht dagegen im pflichtgemäßen Ermessen des Gerichts, § 73 Abs. 3 StGB.
Abschöpfung bei Drittbegünstigten, § 73b StGB
In den sog. Vertretungsfällen nach § 73b Abs. 1 Sa tz 1 Nr. 1 StGB erfolgt ein direkter Zufluss beim Drittbegünstigten, so dass die Abschöpfung bei diesem erfolgen kann. Ein rein faktisches Handeln für den Dritten genügt. Bei den sog. Verschiebungsfällen nach § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2 StGB ist eine Einziehung beim Drittbegünstigten unproblematisch möglich, wenn dieser den Vorteil unentgeltlich oder rechtsgrundlos erlangt hat, § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2a StGB, im Übrigen nur bei bösgläubiger Erlangung des Dritten, § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 2bStGB. Der Erwerb von Todes wegen ist dem unentgeltlichen Erwerb gleichgestellt, § 73b Abs. 1 Satz 1 Nr. 3 StGB.
Auch die Einziehung von Wertersatz bei Dritten ist möglich, § 73b Abs. 2 StGB.
Tatmittel können nach § 74a StGB auch bei Dritten eingezogen werden, wenn diese mindestens leichtfertig dazu beigetragen haben, dass sie als Tatmittel verwendet worden oder Tatobjekt gewesen sind, oder sie in Kenntnis der Umstände, welche die Einziehung zugelassen hätten, in verwerflicher Weise erworben haben (vgl. BGH, Urteil vom 20.11.2018 – 1 StR 420/18, NZWiSt 2019, 1921).
Abschöpfung bei mehreren Einziehungsadressaten
Mehrere Einziehungsadressaten haften als Gesamtschuldner, § 421 BGB. Eine gesamtschuldnerische Haftung mehrerer Tatbeteiligter ist aber nur gegeben, wenn alle Verfügungsgewalt über den Tatertrag erlangt haben.
Ausschluss der Einziehung, § 73e Abs. 1 StGB und § 459g Abs. 4 StPO
Nach § 73e Abs. 1 StGB ist eine staatliche Einziehung ausgeschlossen, soweit der Anspruch des Geschädigten auf Rückgewähr erloschen ist. Erlischt der Anspruch später, unterbleibt die Vollstreckung, § 459g Abs. 4 StPO.
Wegfall der Bereicherung und unbillige Härten
Im Erkenntnisverfahren ist der Wegfall der Bereicherung nur bei der Entreicherung des gutgläubigen Drittbegünstigen relevant, § 73e Abs. 2 StGB. Im Übrigen ist der Wegfall der Bereicherung erst im Vollstreckungsverfahren zu berücksichtigen, § 459g Abs. 5 Var. 1 StPO. Ferner unterbleibt die Vollstreckung bei unbilliger Härte, § 459g Abs. 5 Var. 2 StPO.
Vorläufige Sicherstellung von Vermögenswerten, §§ 111b ff. StPO
Wenn konkrete Tatsachen die Annahme begründen, dass im späteren gerichtlichen Verfahren eine Einziehungsanordnung nach §§ 73 ff. StGB ergehen wird, können Vermögenswerte nach §§ 111b ff. StPO vorläufig sichergestellt werden. Zur Sicherung der Einziehung des Tatertrags dient die Beschlagnahme des Gegenstands, § 111b StPO. Zur Sicherung der Wertersatzeinziehung
dient der Vermögensarrest, § 111e StPO.

Dies stelles insgesamt ein komplexes und schwieriges Thema dar, welches auch bei manchen Richtern ein Unbehagen auslöst. Daher ist es unbedingt erforderlich mit dem Strafverteidiger die Möglichkeiten auszuloten, finanzielles Ungemach ztu vermeiden. Und dies rechtzeitig.

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