Durchsuchung ohne Gerichtsbeschluss-nein, geht nicht

Durchsuchung ohne Beschluss durch den Richter

Besteht nicht die Gefahr eines Beweismittelverlustes, führt die staatsanwaltliche Anordnung der Durchsuchung einer Wohnung zu einem Beweisverwertungsverbot, wenn zuvor nicht versucht wurde, eine Entscheidung durch den zuständigen Ermittlungsrichter während dessen Dienstzeit einzuholen so das LG Hamburg mit Urt. v. 2.11.2022 – 711 Ns 45/22.

Das AG Hamburg hat einen Angeklagten vom Vorwurf des unerlaubten Besitzes von Betäubungsmitteln in nicht geringer Menge aufgrund eines angenommenen Beweisverwertungsverbotes freigesprochen. Die Betäubungsmittel waren bei einer Durchsuchung in seinem Zimmer gefunden worden, das von dem bestehenden Durchsuchungsbeschluss nicht umfasst war,
nachdem der Angeklagte im Wohnzimmer angetroffen wurde und sich neben ihm Drogen befanden. Die Wohnung wird von drei Personen unangemeldet bewohnt. Bei einer ersten Durchsicht des
Zimmers des Angeklagten wurden dort weitere Drogen gesichtet. Von der StA wurde um 10.39 Uhr auf polizeiliche telefonische Benachrichtigung wegen Gefahr im Verzug mündlich die Durchsuchung des Zimmers des Angeklagten angeordnet. Es wurde nicht versucht, die zuständige Ermittlungsrichterin zu erreichen.
Die Berufung der StA blieb erfolgslos

So in der Art verlaufen sehr viele Durchsuchungen durch Polizeibeamte, die sehr voreilig und schnell und ohne Überprüfungen die sog. “ Gefahr im Verzug“ als vorliegend ansehen, damit schnell Ergebnisse präsentiert und gesichert werden können. Später in den Akten findet sich dann nicht einmal einmal ein Hinweis auf den Versuch eines Kontaktes zum Richter, sondern es wird pauschal angenommen, das dieser sowieso nicht erreichbar sei.

Urteilsgründe ( auszugsweise )

Die im Rahmen der Zimmerdurchsuchung aufgefundenen Gegenstände können aufgrund eines Beweisverwertungsverbotes nicht zu Lasten des Angeklagten berücksichtigt werden. Die erfolgte Durchsuchung war rechtswidrig.
Eine gem. § 105 Abs. 1 StPO grundsätzlich erforderliche richterliche Durchsuchungsanordnung habe nicht vorgelegen. Die Anordnung der Durchsuchung durch die StA habe auch nicht auf einer rechtmäßigen Inanspruchnahme der Eilkompetenz beruht. Es habe keine Gefahr im Verzug vorgelegen, da ein Beweismittelverlust nicht zu befürchten war. Gefahr im Verzug liege vor, wenn die vorherige Einholung der richterlichen Anordnung den Erfolg der Durchsuchung gefährdet hätte (BVerfGE 103, 142 = NJW 2001, 1121; BGHSt 51, 285 = NJW 2007, 2269).

Spekulationen, hypothetische Erwägungen oder auf Alltagserfahrungen gestützte fallunabhängige Vermutungen reichten nicht aus, Gefahr im Verzug zu begründen. Regelmäßig sei daher der Versuch zu unternehmen, eine richterliche Entscheidung herbeizuführen. Das Zimmer sei gesichert gewesen, der Angeklagte habe keinerlei Anstalten gemacht, sein Zimmer betreten zu wollen.

Das Fehlen einer richterlichen Durchsuchungsanordnung führe im vorliegenden Fall auch zu einem Beweisverwertungsverbot. Ein Beweisverwertungsverbot sei zumindest bei schwerwiegenden, bewussten oder willkürlichen Verfahrensverstößen geboten, bei denen die grundrechtlichen Sicherungen planmäßig oder systematisch außer Acht gelassen wurden (BGHSt 61, 266 = NJW 2017, 1332 = StRR 4/2017, 9 [Deutscher]).
Ein solcher schwerwiegender Verfahrensverstoß liege hier vor.

Der BGH (BGHSt 51, 285) habe in einem anderen Fall, in dem ein Angeklagter nachmittags wegen des Verdachts des Handeltreibens mit Betäubungsmitteln festgenommen wurde, eine Durchsuchung aber erst um 20 Uhr auf Gefahr im Verzug von der Staatsanwaltschaft angeordnet wurde, einen vergleichbar schwerwiegenden Verstoß angenommen.
Danach habe der Staatsanwalt eine Stunde vor Beginn der Nachtzeit nicht einmal erwogen, einen Ermittlungsrichter zu  kontaktieren, und auch nicht die ihm obliegende Pflicht erfüllt, für die Rechtmäßigkeit des Ermittlungsverfahrens und damit für die Einhaltung des Richtervorbehalts durch die Polizei Sorge zu tragen, nämlich möglichst frühzeitig auf den Erlass eines Beschlusses hinzuwirken. Das hier vorliegende Geschehen sei mit dem Verhalten der Staatsanwaltschaft in den vom BGH entschiedenen Fällen vergleichbar, sogar schwerwiegender.
Vorliegend habe die StA noch nicht einmal versucht, einen Ermittlungsrichter zu erreichen, sondern die Gefahr im  Verzug auf eine hypothetische Annahme gestützt.

Im vorliegenden Fall habe die Polizeibeamtin entweder unvollständige oder unklare Angaben zur Situation gemacht, sodass hierin ein erheblicher Verstoß liegen
würde, oder die Staatsanwältin habe es versäumt, zur konkreten Situation und einem drohenden Beweismittelverlust nachzufragen, was ihr als „Herrin des Verfahrens“ oblegen hätte. Bereits bei Nachfrage zur aktuellen Situation wäre der Staatsanwältin von der Beamtin erklärt worden, dass keine Gefahr im Verzug vorlag, sodass die Annahme von Gefahr in Verzug nicht erfolgt wäre.

Damit sei die konkrete Situation nicht ausreichend aufgeklärt gewesen, was einen erheblichen Verstoß gegen die notwendige Aufklärungspflicht darstelle.

Hierbei ist anzumerken, das Beschuldigte sich in keinem Fall damit einverstanden erklären sollten, das ein Durchsuchung stattfindet. Unterschreiben Sie nichts, erklären Sie nichts, machen Sie keine Angaben zur Sache, helfen Sie nicht mit und schweigen Sie . Widersprechen jeder Maßnahme.

Suchen Sie so schnell wie möglich einer Strafverteidiger auf. Dieser erfaährt dann nach Durchsicht der Ermittlungsakte, ob versucht wurde, den zuständigen Richer zu erreichen. Dann kann eine Verteidigungsstrategie aufgebaut werden.

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in unseren Büros in Bremen und Delmenhorst unter 04221 9166980

 

 

 

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