Staatsanwalt und Presse
Staatsanwaltschaft und Presse: Namen vorab veröffentlicht – Schadensersatzpflicht
„Darin, dass die Staatsanwaltschaft der Presse von einem Ermittlungsverfahren gegen eine in der Öffentlichkeit bekannte Person seines Namens und Berufs Mitteilung macht bzw. auf Nachfrage die Einleitung eines Ermittlungsverfahrens bestätigt, kann eine Amtspflichtverletzung liegen; führt die darauf beruhende öffentliche Berichterstattung zu einer schwerwiegenden Beeinträchtigung des Persönlichkeitsrechts des Betroffenen, so kommt ein Anspruch auf Schmerzensgeld in Betracht“ (BGH, Urteil vom 17-03-1994 – III ZR 15/93)
Hier die allgemein anerkannten und bekannten Verhaltensregeln über den Umgang der Staatsanwaltschaft mit der Presse:
In den Richtlinien für das Strafverfahren heißt es ausdrücklich, dass eine unnötige Bloßstellung des Beschuldigten oder anderer Beteiligter zu vermeiden sei und das dem allgemeinen Informationsinteresse der Öffentlichkeit “in der Regel ohne Namensnennung” entsprochen werden könne (Nr. 23 I RiStBV). Der BGH hat mehrfach betont, dass insoweit mit “besonderer Sorgfalt abzuwägen” bzw. “ganz besondere Vorsicht“ am Platze sei, weil ein Ermittlungsverfahren bereits auf Verdacht eröffnet werde, andererseits aber juristisch nicht vorgebildete Laien allzu leicht geneigt seien, die Eröffnung eines Ermittlungsverfahrens beinahe mit dem Nachweis der zur Last gelegten Tat gleichzusetzen.
Ganz überwiegend bringen Rechtsprechung und Schrifttum – wenn auch unter Anlegung teilweise unterschiedlich strenger Maßstäbe – zum Ausdruck, dass eine Veröffentlichung mit namentlicher Identifizierung des Verdächtigen im Ermittlungsstadium nur ausnahmsweise zu rechtfertigen ist.
Als Gesichtspunkte, die es im Einzelfall bei einer Gesamtabwägung rechtfertigen können, Interessen der Öffentlichkeit an einer Information auch unter Namensnennung des Beschuldigten den Vorrang zu geben, sind in Betracht gezogen worden:
Das Vorliegen einer Straftat von besonderer Bedeutung, etwa bei schwerster Kriminalität; das Ausmaß des Tatverdachts, also das Vorliegen wesentlicher, erheblichen Tatverdacht begründender Umstände; das Aufsehen, daß die Tat des Beschuldigten für sich oder im Zusammenhang mit anderen Vorgängen erregt hat, etwa bei Personen, die im Zusammenhang mit allgemein interessierenden Vorgängen in die Rolle einer “Person der Zeitgeschichte” gelangt sind (vgl. etwa OLG Hamm, OLGZ 1990, OLGZ Jahr 1990 Seite 202 (OLGZ Jahr 1990 Seite 206); OLG Frankfurt a. M., NJW 1980, NJW Jahr 1980 Seite 597).
Weiter ist daran zu denken, dass es nach § 353d StGB verboten ist, die Anklageschrift ganz oder Teile davon im Wortlaut öffentlich mitzuteilen, bevor sie in öffentlicher Verhandlung erörtert worden oder das Verfahren abgeschlossen ist.
Auch ist zu überlegen, so Rechtsanwalt Bernd Idselis, ob nicht schon ein Verfahrenshindernis vorliegt mit der Konsequenz, dass die Anklage nicht zuzulassen ist, wenn die Staatsanwaltschaft schon im laufenden Ermittlungsverfahren Namen und Tat öffentlich benennt, da im weiteren Verfahren der Angeschuldigte überhaupt nicht die Chance hat, einen glatten Freispruch zu erhalten, da er schon in der Öffentlichkeit stigmatisiert ist, so eventuell im Fall „Christian Wulf“ oder anderer Politiker.
Die Staatsanwaltschaft hatte, nachdem sie am Morgen des 27. Juli 2017 gegen den Kläger Anklage u.a. wegen Bestechung, Vorteilsgewährung und Verstößen gegen das Parteiengesetz erhoben hatte, mittags eine Pressemitteilung veröffentlicht und zur Durchführung einer mündlichen Presseinformation am selben Tag geladen. Erst zwei Stunden zuvor hatte sie die Verteidiger des Klägers über die Anklageerhebung informiert und diesen den 25-seitigen Anklagesatz der Anklageschrift zugefaxt. Das Verwaltungsgericht hat festgestellt, dass die Staatsanwaltschaft hierzu nicht berechtigt war. Auch wenn die Pressearbeit inhaltlich nicht zu beanstanden sei, habe die Anklagebehörde das Recht des Klägers auf ein faires Verfahren verletzt.
Mit der beanstandeten Pressearbeit habe die Staatsanwaltschaft gleich zweifach gegen das Recht des Klägers auf ein faires Verfahren verstoßen. Ein Zeitraum von nur zwei Stunden zwischen der Information der Verteidiger und der Information der Presse sei in diesem Fall nicht ausreichend gewesen. Die Verteidiger hätten zudem das wesentliche Ermittlungsergebnis erhalten müssen. Der Grundsatz der Waffengleichheit zwischen Staatsanwaltschaft und Beschuldigten, der sich aus dem Recht auf ein faires Verfahren ergebe, sei auch im Rahmen der Pressearbeit der Staatsanwaltschaft zu berücksichtigen. Wolle sie die Presse kurz nach Anklageerhebung unterrichten, müsse sie dem Beschuldigten zuvor die vollständige Anklageschrift übermitteln und ihm zeitlich die Möglichkeit einräumen, angemessen auf das behördliche Informationshandeln reagieren zu können. Diese Grundsätze habe die Staatsanwaltschaft nicht beachtet.
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