Videoaufnahmen und whatsapp-Verläufe im Prozess verwertbar?
Videoaufnahmen im Strafprozess__verwertbar?
Immer mehr und fast schon alltäglich, werden auch im Strafprozess von Seiten des Gerichts, aber auch von Seiten der Verteidigung Videoaufnahmen und chat-Verläufe präsentiert, um die eine, oder andere Tatsache zu beweisen. Aber geht das so einfach ?
Die Ausführungen zur Verwertbarkeit von Videoaufnahmen, die eine Privatperson gefertigt hat wurde durch die Gerichte überprüft. Der BGH sieht sie als verwertbar an, selbst wenn die Aufnahmen unter Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO erstellt worden sind:
„Für die neue Hauptverhandlung weist der Senat darauf hin, dass entgegen der Auffassung der Revision keine Bedenken gegen die Verwertbarkeit der Videoaufnahmen von der Tatbegehung bestehen. Selbst wenn diese unter Verstoß gegen die Vorgaben der DSGVO erlangt worden sind, weil der Inhaber eines Ladengeschäfts mit seiner davor angebrachten Videokamera über 50 Meter ins öffentliche Straßenland hineingefilmt hat, würde dies nicht zur Unverwertbarkeit des so erlangten Beweismittels führen. Denn auch rechtswidrig von Privaten erlangte Beweismittel sind grundsätzlich im Strafverfahren verwertbar (vgl. BVerfG, Beschluss vom 9. November 2010 – 2 BvR 2101/09, NJW 2011, 2417; BGH, Urteile vom 22. Februar 1978 – 2 StR 334/77, BGHSt 27, 355, 357; vom 9. April 1986 – 3 StR 551/85, BGHSt 34, 39, 52; zu Videoaufnahmen auch BGH, Beschluss vom 18. August 2020 – 5 StR 175/20 mwN). Durch das Inkrafttreten der DSGVO hat sich daran nichts geändert.“
Videoaufnahmen können also vor Gericht zugelassen werden. Die rechtlichen Grundlagen und Vorgaben, wie das Bundesdatenschutzgesetz (BDSG) und die Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO), spielen dabei zwar eine Rolle, sind aber teilweise zu vernachlässigen.
Jedoch : Die Verwertbarkeit von Videoaufnahmen hängt maßgeblich von einer Interessenabwägung ab. Dabei werden die Persönlichkeitsrechte der gefilmten Personen gegen das Interesse an der Beweissicherung abgewogen. Ein Beispiel hierfür ist ein Urteil des Amtsgerichts München, das entschied, dass private Videoaufnahmen im Zivilprozess als Beweismittel dienen können, wenn die Aufzeichnung ursprünglich keinem bestimmten Zweck diente und erst später zur Beweissicherung verwendet wird. In diesem Fall überwog das Interesse an der Beweissicherung die Persönlichkeitsrechte der betroffenen Person.
Ein weiteres Beispiel ist die Entscheidung des Oberlandesgerichts Hamburg das feststellte, dass ein Video trotz eines Datenschutzverstoßes im Strafverfahren verwertbar sein kann. Hier wurde die Abwägung zugunsten des staatlichen Strafverfolgungsinteresses getroffen, da der Eingriff in die Grundrechte des Betroffenen als weniger schwerwiegend angesehen wurde.
Die Rechtskonformität der Videoaufnahmen ist ebenfalls entscheidend. Gemäß § 22 KunstUrhG dürfen Bildnisse nur mit Einwilligung der abgebildeten Personen verbreitet oder öffentlich zur Schau gestellt werden. Das bloße Herstellen einer Bildaufnahme ist jedoch nicht strafbar, solange es sich nicht um Aufnahmen aus einem besonders geschützten Lebensbereich handelt, wie etwa in einer Wohnung.
Ein Beispiel für die Unzulässigkeit von Videoaufnahmen ist die permanente anlasslose Videoüberwachung des öffentlichen Raums durch Privatpersonen. Solche Aufnahmen sind gemäß § 4 Abs. 1 BDSG nicht zulässig und dürfen daher nicht als Beweismittel verwendet werden.
Die Authentizität der Aufnahmen spielt ebenfalls eine Rolle. Moderne Bild- und Videobearbeitungsprogramme ermöglichen nahezu perfekte Manipulationen, weshalb die Authentizität der Aufnahmen im Einzelfall geprüft werden muss.
Insgesamt müssen Videoaufnahmen zur Beweissicherung rechtmäßig erstellt worden sein und eine sorgfältige Abwägung der beteiligten Interessen erfolgen. Nur dann können sie vor Gericht als Beweismittel zugelassen werden. Dies gilt auch für whatsapp-Verläufe ( siehe Bericht hier )
So wurde im Rahmen eines Haftprüfungsbeschlusses der hinreichende Tatverdacht für eine Verurteilung nach §§129a, 129b, 131 StGB wegen des Werbens für eine terroristische Vereinigung (im Ausland) und Gewaltdarstellung im Wesentlichen auf die den Ermittlungsbehörden vorliegende WhatsApp-Kommunikation gestützt.In der Begründung finden sich sogar wörtliche Zitate aus den relevanten Chatverläufen. Nicht entnehmen lässt sich den Entscheidungsgründen jedoch, auf welchem Wege die Chat-Daten erhoben wurden, wie die Sicherung und Auswertung der Daten erfolgte und in welcher Form die Chat-Verläufe dem entscheidenden Gerichtvorgelegt wurden. Zur Frage, aus welchen Tatsachen das Gericht schließt, dass die verfahrensgegenständlichenNachrichten tatsächlich vom Beschuldigten stammten, lässtder BGH lediglich verlauten, dass der »Anschluss« durcheine Bestandsdatenabfrage dem Beschuldigten zugeordnet werden konnte und eine anschließende Telekommunikationsüberwachung auch eine tatsächliche Nutzung durch den Beschuldigten ergab. Ein Nachweis dafür, dass auch die einzelnen verwerteten WhatsApp-Nachrichten tatsächlich vom Beschuldigten verfasst und abgeschickt wurden, findet sich nicht. Ebenso wenig wurde Stellung dazu bezogen, wie sichergestellt wurde, dass die Nachrichten nicht absichtlich oder unabsichtlich manipuliert wurden, z.B. einzelne Nachrichten gelöscht oder sogar gefälschte Nachrichtenteile hinzugefügt, die in Wirklichkeit nie zwischen den Kommunikationspartnern ausgetauscht wurden. Beides ist insofern misslich, als die Manipulation der auf dem einzelnen Gerätsichtbaren Nachrichtenverläufe trivial ist. So lassen sich täuschend echt aussehende Nachrichten und Nachrichtenverläufe auf einzelnen Geräten mittels Applikationen wie »FakeWhats« erstellen.
Hier ist der Strafverteidiger gefragt, der die Grundlagen der Verwertbarkeit rechtzeitig prüfen und gegebenenfalls der Verwertung widersprechen muss.
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