Zeugnisverweigerungsrecht
Erst Angeklager, dann Zeuge? Geht das ?
Sehr oft liegt die Fallkonstellation so vor, dass mehrere Beschuldigte im Laufe des Ermittlungsverfahrens nach Erhebung der
Anklage zu Angeklagten werden, die Verfahren werden sodann abgetrennt und gesondert ausgeurteilt.
Jetzt ist es denkbar, dass ein ehemals Mitangeklagter zum Zeugen gegen die übrigen Angeklagten wird,da dieses Verfahren möglicherweise schon
rechtskräftig abgeschlossen ist. Dann steht diesem ehemaligen Angeklagten kein Zeugnisverweigerungsrecht zu.
Wie aber verhält es sich, wenn ehemalige Verfahren gegen einen Angeklagten lediglich durch ein Gericht oder durch die
Staatsanwaltschaft eingestellt wurde? Lebt dann das Zeugnisverweigerungsrecht weiter fort, oder ist der Zeuge so zu behandeln,
als ob das Verfahren rechtskräftig abgeschlossen wäre?
Vorliegend hatte die Staatsanwaltschaft gegen die ehemalige Angeklagte in einem Steuerstrafverfahren mit Verfügung dieses
endgültig nach § 154 I StPO eingestellt, sodass andere Gerichte die ehemalige Angeklagte nunmehr als Zeugen anhören wollten,
da diese der Ansicht waren, dass ihr ein Zeugnisverweigerungsrecht nicht mehr zustehen würde.
Hier war jedoch beachtlich, das eine Staatsanwaltschaft ein Ermittlungsverfahren nicht endgültig einstellen kann.
Die Vorschrift des § 154 IV StPO, nach der eine Wiederaufnahme drei Monate nach Rechtskraft des in anderer Sache ergangenen Urteils
ausgeschlossen ist, gilt nur bei einer vom Gericht, nicht aber bei einer von der Staatsanwaltschaft vorgenommenen Einstellung
des Verfahrens ( siehe BGH vom 25.01.2006, 1StR 438/05).
Dies hat zur Konsequenz, dass die Einstellung des Strafverfahrens nur vorläufig erfolgt. Die Staatsanwaltschaft kann damit das
Verfahren jederzeit bis zum Eintritt der Verjährung wieder aufnehmen ( BGH 21.10.2010, Str 344/10).
Somit steht aber fest, dass sich der Zeuge weiterhin auf ein Zeugnisverweigerungsrecht berufen kann.
Es besteht nämlich die Gefahr, dass der Zeuge sich durch seine Aussage der Gefahr der Strafverfolgung aussetzen würde.
Zumindest würde die Durchführung eines möglichen Strafverfahren durch eine Aussage erleichtert werden und dies ist ausreichend,
ein umfassendes Zeugnisverweigerungsrecht zu begründen.