Einziehung nach StGB trotz Verjährung im Steuerrecht ? Ja, geht

» Das BVerfG hat mit dem Beschluss BVerfG HRRS 2022 Nr. 466 eine strafrechtliche Vermögensabschöpfung trotz steuerrechtlicher Verjährung akzeptiert:

1. Die Regelung in § 73e Abs. 1 Satz 2 StGB, welche die Einziehung von Taterträgen ermöglicht, wenn der Anspruch des Verletzten auf Rückgewähr oder Wertersatz (lediglich) wegen Verjährung erloschen ist, ist verfassungsrechtlich nicht zu beanstanden. Ihr kann nicht mit Erfolg entgegengehalten werden, die Vermögenseinziehung stehe im Widerspruch zu der nach der Verjährungsregelung in § 47 AO verbindlichen Vermögenszuordnung zugunsten des Steuerpflichtigen. Der Gesetzgeber hat sich für ein Nebeneinander von Einziehungsansprüchen und Ansprüchen Geschädigter entschieden, die sich in ihren Voraussetzungen, ihrem Umfang und ihrem Verjährungsregime unterscheiden. Verbunden sind die Rechtsmaterien lediglich durch § 73e Abs. 1 Satz 1 StGB, der eine doppelte Inanspruchnahme des Betroffenen vermeidet.

2. Die Übergangsregelung des Art. 316j Nr. 1 EGStGB verletzt nicht das Rückwirkungsverbot. Sie unterliegt nicht dem spezifisch strafrechtlichen Rückwirkungsverbot, weil es sich bei der Vermögensabschöpfung um keine dem Schuldgrundsatz unterliegende Nebenstrafe, sondern eine Maßnahme eigener Art mit kondiktionsähnlichem Charakter handelt (Verweis auf BVerfG, Beschluss vom 10. Februar 2021 – 2 BvL 8/19 – [= HRRS 2021 Nr. 280]). Jedoch ist sie an dem allgemeinen Rückwirkungsverbot zu messen, weil der Gesetzgeber damit nachträglich konstitutiv der Auslegung des § 73e Abs. 1 StGB a. F. durch den Bundesgerichtshof die Grundlage entzogen hat, wonach das Erlöschen des Anspruchs aus dem Steuerschuldverhältnis durch Verjährung die Einziehung ausschließt (BGH, Urteil vom 28. Juli 2021 – 1 StR 519/20 – [= HRRS 2021 Nr. 984]).

3. Die durch Art. 316j Nr. 1 EGStGB bewirkte „echte“ Rückwirkung, bei der eine Rechtsfolge mit belastender Wirkung schon vor dem Zeitpunkt der Verkündung der Rechtsnorm für bereits abgeschlossene Tatbestände gelten soll, ist mit dem aus dem Rechtsstaatsprinzip herzuleitenden Vertrauensschutzgebot ausnahmsweise vereinbar, weil sie durch überragende Belange des Gemeinwohls gerechtfertigt ist.

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