Akteneinsicht durch Staatsanwalt verweigert? Was tun?

Idselis

Ein Ermittlungsverfahren richtet sich wegen des Verdachtes einer Vergewaltigungshandlung gegen einen Beschuldigten. Es wird von seiten der Verteidigung Akteneinsicht in das Verfahren beantragt, nichts geschieht. Das „Opfer“ wird zur Sicherung der Aussage per Video richterlich vernommen, alles wird aufgezeichnet und verschriftlicht. Die Verteidung beantragt wieder Akteneinsicht. Nichts geschieht. Der Staatsanwalt schreibt an den Verteidiger, das sein Mandant doch ein Geständnis abgeben solle, ansonsten würde er ein ( teures ) aussagepsychlogisches Gutachten einholen lassen. Der Verteidiger moniert dieses Vorgehen als unrechtmäßig und beantragt wieder Akteneinsicht um zwei Wochen später festzustellen, das der Staatsanwalt bereits Anklage erhoben hat, als er um das Geständnis bat. Folgendes haben wir an das Gericht geschrieben:

Die Gewährung von Akteneinsicht ist kein Selbstzweck. Sie dient der Wahrnehmung des essentiellen Rechts des Beschuldigten auf ein faires Verfahren. Der Beschuldigte kann seine Verteidigungsrechte nur sinnvoll wahrnehmen, wenn er den Vorwurf und die zu seiner Überführung vorhandenen Beweismittel kennt. Sie vor ihm geheim zu halten beschneidet sein Recht
auf wirksame Verteidigung. Der Anspruch auf rechtliches Gehör ist mit Verfassungsrang ausgestaltet und nicht nur ein Anspruch des Betroffenen selbst, sondern ein essentieller und unabdingbarer Grundsatz eines jeden rechtsstaatlichen Verfahrens. Der Anspruch ist von Amts wegen zu beachten und seine Wichtigkeit nicht zu unterschätzen (vgl. BVerfG, Beschluss
vom 09.07.1980, 2 BvR 701/80 = NJW 1980, 2698).
Diese ohne ersichtlichen sachlichen Grund unterbliebene Maßnahme kann auch nicht nachgeholt werden. Das Unterlassen der Ermittlungsbehörden ohne erkennbaren Grund und sehenden Auges , die Akteneinsichtsgesuche zu ignorieren, die Vornahme eines verfassungsrechtlich gebotenen die Beteiligung des Angeschuldigten im Ermittlungsverfahren, liegt ein derart schwerer Mangel vor, der auch durch eine Nachholung nicht mehr beseitigt werden kann. Die Wichtigkeit der in Frage stehenden Rechte des Angeschuldigten ergibt sich aus Artikel 103 GG und Artikel 6 MRK.
Dem Angeschuldigten kann nicht zugemutet werden, von diesen essentiellen Rechten erst im Zwischenverfahren Gebrauch zu machen, zumal sich seine Verteidigungsoptionen mit Fortschreiten des Verfahrens bis hin zu einer etwaigen Hauptverhandlung immer weiter verengen. Von diesen essentiellen Grundsätzen kann auch im Einzelfall nicht etwa
deshalb abgerückt werden, wenn – wie hier – die Beweislage relativ hart sein sollte. Die Aussagen des Opfers mögen einen hinreichenden Tatverdacht für eine unerlaubte Handlung annehmen lassen. Die Aussagen sind aber dem Beschuldigten nicht bekannt gemacht worden, so das er keine inhaltliche Prüfung vornehmen konnte.
Die Frage des Tatverdachts ersetzt allerdings nicht verfassungsmäßige Rechte eines Beschuldigten im Strafverfahren.
Nach alledem ist das Verfahren einzustellen und die beantragte Anklage ist nicht zu zulassen.

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Rechtsanwalt
Strafverteidiger & Rechtsanwalt Bernd Idselis, Delmenhorst. Ganz individuell widme ich mich Ihren individuellen rechtlichen Problemen und entwickele mit Ihnen gemeinsam von Fall zu Fall ergebnisorientierte Lösungen.
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